Milchstau & Erschöpfung: Wenn du nur noch weinen willst
Du sitzt da. Vielleicht auf dem Bett, vielleicht auf dem Boden im Bad. Und du weinst.
Nicht das hübsche, leise Weinen aus Filmen. Sondern das hässliche, würgende, verzweifelte Weinen, das aus dem tiefsten Inneren kommt.
Du bist so müde, dass dir die Knochen wehtun. Deine Brust brennt wie Feuer. Dein Kopf dröhnt. Und in dir ist nur noch ein einziger Gedanke: Ich kann nicht mehr.
Du fühlst dich wie eine Versagerin. “Andere schaffen das doch auch.” “Ich muss mich zusammenreissen.” “Das Baby braucht mich.”
Aber ich sage dir etwas, das du vielleicht noch nie gehört hast:
Dieser Zusammenbruch ist kein Fehler. Er ist die Rettung.
Warum dein Körper die Notbremse zieht
Dein Körper ist weiser als dein Verstand. Dein Verstand sagt “Weiter, weiter, weiter”. Dein Körper sieht die Wahrheit: Der Tank ist nicht nur leer, er ist staubtrocken.
Der Milchstau ist nicht das Problem. Er ist das Symptom. Er ist die rote Warnleuchte, die blinkt, weil der Motor überhitzt ist.
Du hast funktioniert. Wochenlang. Monatelang. Du hast gegeben. Milch, Liebe, Kraft, Schlaf, Nerven. Du hast dich selbst hinten angestellt, bis du ganz von der Liste verschwunden bist.
Und jetzt zwingt dich dein Körper in die Knie. Er sagt: STOPP.
Er macht die Brust hart, damit du weich werden musst. Er macht Schmerzen, damit du endlich hinschaust. Er nimmt dir die Kraft, damit du aufhörst zu kämpfen.
Die Biochemie der Tränen
Weinen ist nicht schwach. Weinen ist physiologisch notwendig.
Wusstest du, dass emotionale Tränen eine andere chemische Zusammensetzung haben als Tränen, die durch Zwiebelschneiden entstehen? Sie enthalten Stresshormone (Cortisol).
Wenn du weinst, scheidet dein Körper buchstäblich Stress aus. Du entgiftest dich von der Überforderung.
Gleichzeitig aktiviert heftiges Weinen den Parasympathikus – den Teil deines Nervensystems, der für Entspannung und Regeneration zuständig ist. Nach dem Sturm kommt die Ruhe.
Aber nur, wenn du den Sturm zulässt. Wenn du die Tränen runterschluckst, bleibt der Stress im Körper. Und in der Brust.
Ein unterdrückter Weinkrampf ist der beste Weg, einen Milchstau zu verschlimmern. Ein zugelassener Zusammenbruch ist oft der erste Schritt, ihn zu lösen.
Das Problem mit dem “Alleine-Weinen”
Es gibt nur ein Problem.
Wir haben verlernt, gehalten zu werden, während wir weinen.
Wir ziehen uns zurück. Wir schliessen uns im Bad ein. Wir warten, bis alle schlafen. Wir weinen allein.
Und das macht es so schwer. Denn Weinen in Einsamkeit fühlt sich an wie Sterben. Es fühlt sich bodenlos an. Du hast Angst, dass du nie wieder aufhören kannst, wenn du einmal anfängst. Dass du in ein schwarzes Loch fällst.
Was du brauchst, ist kein Taschentuch. Was du brauchst, ist ein Container.
Ein Mensch, der da ist. Der nicht versucht, dich zu “trösten” (im Sinne von “Ist doch nicht so schlimm”). Der keine Tipps gibt. Der nicht nervös wird, wenn du schreist oder schluchzt.
Sondern jemand, der einfach da ist. Der dich hält. Der den Raum hält. Der dir signalisiert: “Du kannst fallen. Ich fange dich auf. Du kannst auseinanderfallen. Ich halte die Teile zusammen.”
Die Sehnsucht nach dem Fallenlassen
Sei ehrlich: Wie oft hast du dir gewünscht, einfach mal alles loszulassen? Die Verantwortung abzugeben? Dich klein und schwach fühlen zu dürfen?
Wir leben in einer Welt, die Mütter als Superheldinnen feiert. Aber Superheldinnen dürfen nicht zusammenbrechen.
Das ist eine Lüge, die uns krank macht.
Du bist keine Maschine. Du bist ein Säugetier. Und Säugetiere brauchen das Rudel, um sich sicher zu fühlen.
Wenn du einen Milchstau hast und vor Erschöpfung weinst, dann schreit dein inneres Säugetier nach Sicherheit. Nach Schutz. Nach jemandem, der Wache hält, damit du schlafen kannst.
Wenn niemand da ist
Vielleicht liest du das und denkst: “Ja, schön wär’s. Aber da ist niemand.”
Vielleicht bist du alleinerziehend. Vielleicht ist dein Partner überfordert oder emotional nicht verfügbar. Vielleicht sind deine Eltern weit weg oder keine Hilfe.
Dann ist dieser Schmerz doppelt so gross. Denn du spürst nicht nur die Erschöpfung, sondern auch die Einsamkeit.
Und genau diese Einsamkeit manifestiert sich in deiner Brust. Die Milch staut sich, weil die Liebe (zu dir selbst, von anderen) nicht fliessen kann.
Ein Angebot, dich aufzufangen
Ich bin Simon. Ich bin kein Therapeut. Ich bin kein Arzt.
Aber ich bin ein Mann, der keine Angst vor Tränen hat. Ich habe keine Angst vor deiner Erschöpfung. Ich habe keine Angst vor deinem Zusammenbruch.
Ich weiss, dass viele Frauen genau davor Angst haben: Dass sie “zu viel” sind. Dass sie jemanden belasten. Dass sie unattraktiv sind, wenn sie rotverweint und mit Milchflecken auf dem Shirt da sitzen.
Ich sehe das anders. Ich sehe in diesem Moment die purste Wahrheit. Ich sehe eine Frau, die bis an ihre Grenzen gegangen ist – aus Liebe.
Und ich biete dir an: Komm mit deiner Erschöpfung. Komm mit deinen Tränen. Komm mit deinem “Ich kann nicht mehr”.
Ich halte dich. Nicht, um das Problem “wegzumachen”. Sondern damit du nicht alleine bist, während es da ist.
Der Moment der Wende
Oft passiert etwas Magisches, wenn eine Frau sich erlaubt, in den Armen eines Mannes wirklich zusammenzubrechen.
Wenn sie aufhört, die Starke zu spielen. Wenn sie sich erlaubt, klein zu sein.
Dann sinken die Schultern. Der Atem wird tiefer. Der Bauch wird weich.
Und oft – ganz oft – beginnt genau in diesem Moment die Milch zu fliessen. Nicht durch Technik. Sondern durch Hingabe. Durch das Loslassen des Kampfes.
Du musst nicht mehr kämpfen
Du hast genug gekämpft. Du hast genug “geschafft”.
Es ist okay, am Ende zu sein. Es ist okay, Hilfe zu brauchen. Es ist okay, dich nach jemandem zu sehnen, der dich hält.
Wenn du diesen Halt suchst – ich bin hier.
Du musst nichts erklären. Ein “Ich kann nicht mehr” reicht.
FAQ: Häufige Fragen zu Erschöpfung und Milchstau
Warum wird der Milchstau schlimmer, wenn ich gestresst bin?
Stress schüttet Cortisol aus. Cortisol ist der direkte Gegenspieler von Oxytocin. Oxytocin brauchst du für den Milchfluss. Je mehr Stress/Erschöpfung, desto weniger Oxytocin, desto mehr Stau. Ein Teufelskreis, der nur durch Entspannung (Loslassen) durchbrochen werden kann.
Darf ich weinen, wenn ich stille? Schadet das dem Baby?
Du darfst weinen. Es ist besser, die Gefühle rauszulassen, als sie “runterzuschlucken”. Babys spüren Anspannung sowieso. Wenn du weinst und dich danach erleichtert fühlst, ist das auch für das Baby besser als eine dauer-angespannte Mutter.
Ich fühle mich schuldig, weil ich so erschöpft bin. Was tun?
Schuldgefühle sind Energieräuber. Deine Erschöpfung ist keine moralische Verfehlung, sondern eine biologische Tatsache. Du leistest Schwerstarbeit. Du würdest einem Marathonläufer bei Kilometer 40 auch nicht vorwerfen, dass er müde ist. Sei gnädig mit dir.
Wie kann ein Mann mir helfen, wenn er nicht stillen kann?
Ein Mann kann den “Container” bilden. Er kann Sicherheit geben. Er kann dich halten. Er kann dir das Gefühl geben: “Ich passe auf, du kannst loslassen.” Diese emotionale Sicherheit ist der stärkste Oxytocin-Booster, den es gibt.
Was, wenn ich mich schäme, mich so schwach zu zeigen?
Scham isoliert. Aber Schwäche verbindet. Wahre Intimität entsteht oft in den Momenten, in denen wir uns verletzlich zeigen. Versuch es als Experiment zu sehen: Was passiert, wenn ich die Maske fallen lasse?
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Wissenschaftliche Grundlagen: Stressphysiologie und die Wirkung von Cortisol auf die Laktation sind gut erforscht. Mehr dazu findest du hier: Wissenschaftliche Grundlagen →