Es ist Samstagabend. Draussen ist es dunkel. Drinnen ist es still. Vielleicht schläft dein Kind bereits friedlich im Nebenzimmer. Vielleicht hast du ein Glas Wein vor dir oder einen Tee. Vielleicht läuft eine Serie im Hintergrund, die dich nur halb interessiert.
Eigentlich ist alles gut. Du bist gesund. Du hast ein Dach über dem Kopf. Du hast einen Job. Du schaffst das alles.
Aber da ist dieses Gefühl. Dieses Ziehen in der Brustgegend. Dieser Gedanke, den du tagsüber wegschiebst, wenn du beschäftigt bist, der dich aber in der Stille immer einholt:
“Ich will nicht mehr allein sein.”
Und sofort danach kommt die Stimme deines inneren Kritikers (oder die Stimme deiner Mutter, deiner Freundin, der Gesellschaft): “Ach komm schon. Sei nicht so bedürftig. Du bist eine starke, unabhängige Frau. Du musst erst lernen, alleine glücklich zu sein.”
Ich bin hier, um dir zu sagen: Diese Stimme lügt.
Der Wunsch, nicht allein sein zu wollen, ist kein Zeichen von Schwäche. Er ist kein Zeichen von Unreife. Er ist kein Zeichen dafür, dass du “an dir arbeiten” musst.
Er ist ein Zeichen dafür, dass du ein Mensch bist.
Die Biologie der Einsamkeit
Warum tut Einsamkeit weh? Warum fühlt es sich nicht einfach neutral an, allein zu sein? Warum schmerzt es körperlich?
Weil wir biologisch so gebaut sind. Vor 100.000 Jahren bedeutete Alleinsein den Tod. Wer allein war, verhungerte, erfror oder wurde gefressen. Unser Körper hat deshalb ein Alarmsystem entwickelt. Wenn wir isoliert sind, schüttet das Gehirn Stresshormone aus (Cortisol). Es versetzt uns in einen Zustand des Schmerzes, damit wir motiviert sind, wieder Anschluss zur Gruppe zu suchen.
Einsamkeitsschmerz ist wie Hunger oder Durst. Hunger sagt dir: “Iss etwas, sonst stirbst du.” Durst sagt dir: “Trink, sonst vertrocknest du.” Einsamkeit sagt dir: “Verbinde dich, sonst bist du nicht sicher.”
Wenn du dir also sagst “Ich sollte nicht so fühlen”, kämpfst du gegen deine Biologie. Es ist okay, Hunger zu haben. Und es ist okay, Hunger nach Nähe zu haben.
Die Lüge von “Lern erst, dich selbst zu lieben”
Es gibt diesen toxischen Rat, den Single-Frauen ständig hören: “Du kannst niemanden lieben, bevor du dich nicht selbst liebst. Du musst erst lernen, alleine glücklich zu sein, bevor du reif für eine Beziehung bist.”
Das klingt gut. Es klingt spirituell und weise. Aber es ist oft Bullshit.
Natürlich ist Selbstliebe wichtig. Wir wollen uns nicht selbst hassen. Aber wir lernen Selbstliebe (und Selbstwert) nicht im Vakuum. Wir lernen sie in Beziehung. Ein Kind lernt, sich selbst zu beruhigen, weil es von der Mutter beruhigt wurde. Wir lernen, uns wertvoll zu fühlen, weil wir von anderen wertgeschätzt werden.
Zu erwarten, dass du in völliger Isolation “ganz” und “geheilt” wirst, bevor du eine Beziehung “verdienst”, ist grausam. Es ist, als würde man sagen: “Lern erst mal, ohne Essen satt zu sein, bevor du zum Buffet darfst.”
Du darfst unperfekt sein. Du darfst Selbstzweifel haben. Du darfst dich manchmal nicht mögen. Und du darfst trotzdem geliebt werden.
Du musst dir Liebe nicht erst verdienen, indem du den “Ich bin perfekt glücklich allein”-Test bestehst.
Alleinsein vs. Einsamkeit (Es gibt einen Unterschied)
Ich sage nicht, dass du jeden Moment in Gesellschaft verbringen musst. Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen:
- Alleinsein (Solitude): Du wählst es. Du geniesst die Ruhe. Du lädst deine Batterien auf. Du liest ein Buch in der Badewanne. Das ist kraftvoll.
- Einsamkeit (Loneliness): Du willst Verbindung, aber sie ist nicht da. Du fühlst dich isoliert, abgekoppelt, nicht gesehen. Das ist schmerzhaft.
Du kannst gut allein sein (im Sinne von: du kommst im Alltag klar, du brichst nicht zusammen) und dich trotzdem einsam fühlen. Das eine schliesst das andere nicht aus.
Viele Single Mamas sind Meisterinnen im Alleinsein. Sie rocken den Alltag. Sie brauchen niemanden, um eine Glühbirne zu wechseln oder die Steuererklärung zu machen. Aber am Abend fühlen sie sich einsam. Weil sie jemanden wollen, mit dem sie den Sieg teilen können. Oder die Last.
Nicht allein sein wollen hat nichts mit Unselbstständigkeit zu tun. Es hat mit dem Wunsch nach Zeugenschaft zu tun. Wir wollen, dass unser Leben bezeugt wird. Dass jemand sieht, wie wir kämpfen, wie wir lachen, wie wir wachsen.
Was passiert, wenn du diesen Wunsch unterdrückst?
Du wirst hart. Du baust Mauern. Du sagst Sätze wie: “Männer bringen eh nur Ärger.” oder “Mir fehlt nichts.”
Du wirst zynisch. Und das ist das Traurigste: Du beginnst, deine eigene Weichheit als Feind zu sehen. Jedes Mal, wenn die Sehnsucht hochkommt, schlägst du sie nieder. “Reiss dich zusammen!”
Aber Weichheit ist keine Schwäche. Weichheit ist das, was Verbindung überhaupt erst möglich macht. Wenn du so hart wirst, dass du niemanden mehr brauchst, wirst du unberührbar. Für Schmerz, ja. Aber auch für Liebe.
Mut heißt, die Sehnsucht zuzugeben
Es erfordert unglaublichen Mut, in einer Welt der “unabhängigen Powerfrauen” zu sagen: “Ich bin einsam. Ich will einen Partner.”
Es ist ein Akt der Rebellion. Es ist das Ablegen der Maske.
Wenn du das zugibst, machst du dich verletzbar. Jemand könnte sagen: “Haha, die hat es nötig.” Aber weisst du was? Nur wer sich verletzbar macht, kann berührt werden.
Ich suche keine Frau, die so tut, als bräuchte sie mich nicht. Ich suche eine Frau, die den Mut hat zu sagen: “Mein Leben ist gut. Aber mit dir wäre es schöner.” Oder sogar: “Mir fehlt etwas. Mir fehlt Nähe.”
Das stösst mich nicht ab. Das zieht mich an. Weil es echt ist.
Ich will auch nicht mehr allein sein
Lass uns ehrlich sein: Ich schreibe das hier nicht aus reiner Selbstlosigkeit. Ich bin auch ein Mann. Ein Mensch. Ich habe mein Leben im Griff. Ich habe meinen Beruf, meine Hobbys, meine Freunde.
Aber auch ich sitze an manchen Samstagabenden allein auf dem Sofa und denke: “Scheisse, ich wünschte, sie wäre hier.” Ich wünschte, ich könnte mich austauschen. Ich wünschte, ich könnte jemanden in den Arm nehmen.
Ich will auch nicht allein sein. Macht mich das schwach? Nein. Es macht mich bereit. Bereit für dich.
Du musst nicht warten, bis du “fertig” bist
Du musst heute Abend nicht das Problem der Einsamkeit lösen. Du musst nur aufhören, dich dafür zu verurteilen.
Nimm den Gedanken “Ich will nicht allein sein” und nimm ihn in den Arm, wie ein kleines Kind. Sag ihm: “Ich höre dich. Du darfst da sein. Es ist okay.”
Und dann, wenn du mutig bist, teile diesen Gedanken. Nicht mit der ganzen Welt. Aber mit mir.
Schreib mir. Erzähl mir nicht, wie toll und unabhängig du bist (es sei denn, du willst das). Erzähl mir, was wirklich los ist. Erzähl mir von der Stille am Samstagabend.
Ich kenne sie auch. Vielleicht können wir die Stille gemeinsam füllen.
Der Elefant im Raum: Ich suche keine Brieffreundschaft gegen Einsamkeit. Ich suche eine Partnerschaft. Ein echtes “Wir”. Wenn du nur jemanden zum Chatten suchst, bin ich der Falsche. Wenn du jemanden suchst, der bleibt, wenn es dunkel wird – dann schreib mir.