Du versuchst, ruhig zu bleiben. Du atmest tief. Du sagst dir: “Entspann dich einfach.”
Aber es funktioniert nicht.
Dein Herzschlag bleibt hoch. Dein Körper bleibt angespannt. Die Brust spannt. Der Milchstau kommt wieder.
Warum?
Weil du etwas versuchst, was biologisch unmöglich ist: Dich selbst zu beruhigen.
Dein Nervensystem ist nicht dafür gebaut, sich selbst zu regulieren. Es ist dafür gebaut, sich durch ein Gegenüber zu regulieren.
Das nennt sich Co-Regulation.
Was ist Co-Regulation?
Co-Regulation bedeutet: Dein Nervensystem beruhigt sich durch das Nervensystem eines anderen Menschen.
Das klingt abstrakt. Aber es ist ganz konkret:
Wenn du bei jemandem bist, der ruhig ist – wirklich ruhig, nicht nur äußerlich – dann “liest” dein Nervensystem sein Nervensystem.
Dein Körper spürt:
- Seinen ruhigen Herzschlag
- Seinen tiefen Atem
- Seine entspannte Muskulatur
- Seine Präsenz
Und dann – ohne dass du etwas tust – beginnt dein Körper, sich anzupassen. Dein Herzschlag verlangsamt sich. Dein Atem wird tiefer. Deine Muskeln entspannen sich.
Das ist keine bewusste Entscheidung. Das ist Biologie.
Warum Babys sich durch dich beruhigen
Du kennst das: Dein Baby schreit. Du nimmst es hoch. Du hältst es. Du sprichst ruhig. Und nach ein paar Minuten: Es beruhigt sich.
Das ist Co-Regulation.
Dein Baby kann sich nicht selbst beruhigen. Sein Nervensystem ist noch nicht ausgereift. Es braucht dich, um sich zu regulieren.
Dein ruhiger Herzschlag beruhigt seinen Herzschlag. Deine Präsenz gibt ihm Sicherheit. Und dann entspannt es sich.
Aber jetzt kommt die Frage: Wer beruhigt dich?
Das Dilemma: Du gibst, aber niemand gibt dir
Du gibst deinem Baby Co-Regulation. Du bist präsent. Du hältst es. Du gibst ihm Sicherheit.
Aber wer gibt dir Sicherheit? Wer ist präsent für dich? Wer hält dich, während du zusammenbrichst?
Niemand.
Du versuchst, dich selbst zu beruhigen. Mit Atemübungen. Mit Meditation. Mit Mantras. Aber dein Nervensystem glaubt dir nicht.
Es wartet auf ein echtes Signal. Ein Signal von außen. Von jemandem, der da ist.
Warum Selbstregulation nicht funktioniert
Selbstregulation ist ein Mythos. Die Idee, dass du dich durch Techniken selbst beruhigen kannst, ist falsch.
Ja, Atemübungen können kurzzeitig helfen. Aber sie lösen nicht die Ursache.
Die Ursache ist: Du bist allein.
Solange du allein bist, solange niemand da ist, der dich co-reguliert – so lange bleibt dein Nervensystem im Alarm-Modus.
Das ist keine Schwäche. Das ist, wie dein Nervensystem funktioniert. Es ist darauf programmiert, sich durch andere zu beruhigen.
Was passiert bei Co-Regulation
Wenn du bei jemandem bist, der co-reguliert – jemand, der wirklich ruhig ist, wirklich präsent – dann passiert Folgendes:
- Dein Vagusnerv wird aktiviert → Parasympathikus schaltet an
- Dein Herzschlag synchronisiert sich mit dem des anderen
- Dein Atem wird tiefer → Sauerstoff fließt besser
- Cortisol sinkt → Oxytocin steigt
- Deine Muskeln entspannen sich → die Milch fließt
Das ist nicht Esoterik. Das ist messbar. Forscherinnen haben das untersucht (Porges, 2011): Menschen, die co-reguliert werden, haben messbar niedrigere Stress-Werte.
Und das Wichtigste: Es passiert automatisch. Du musst nichts tun. Du musst nur da sein. Und der andere muss da sein.
Warum “einfach abschalten” nicht geht
“Du musst einfach abschalten”, sagen sie. “Gönn dir eine Pause.”
Aber wie sollst du abschalten, wenn niemand da ist, der dich co-reguliert?
Du kannst dir nicht einreden, dass du sicher bist. Dein Nervensystem braucht echte Sicherheit. Von außen. Von jemandem, der präsent ist.
Das ist der Unterschied zwischen Gedanken und Gefühl. Du kannst denken “Ich bin sicher”. Aber solange dein Körper es nicht spürt – durch Berührung, durch Präsenz – bleibt der Alarm-Modus an.
Was Co-Regulation für Milchstau bedeutet
Wenn du co-reguliert wirst, entspannen sich die kleinen Muskeln in deiner Brust. Die Milchgänge öffnen sich. Die Milch fließt.
Aber nicht weil du “entspannst”. Sondern weil dein Nervensystem das Signal bekommt: Du bist sicher. Du darfst loslassen.
Das ist der Schlüssel. Nicht Technik. Nicht Willenskraft. Sondern: Ein Mensch, der da ist.
Der Moment der Co-Regulation
Es gibt diesen Moment. Den Moment, wo du bei jemandem liegst, der ruhig ist. Der dich hält. Ohne zu sprechen. Ohne zu fordern.
In diesem Moment passiert etwas: Dein Körper lässt los. Nicht sofort. Aber langsam. Du spürst, wie sich die Anspannung löst. Wie dein Atem tiefer wird. Wie die Brust weicher wird.
Und du denkst: “So sollte es immer sein.”
Das ist Co-Regulation. Und das ist, was dein Körper braucht.
Du bist nicht kaputt
Wenn du dich nicht selbst beruhigen kannst, wenn keine Technik funktioniert – dann ist das kein Zeichen dafür, dass mit dir etwas nicht stimmt.
Es ist ein Zeichen dafür, dass dein Nervensystem genau das macht, wofür es gebaut wurde: Es wartet auf ein Gegenüber.
Das ist keine Schwäche. Das ist Menschlichkeit.
Vielleicht ist jetzt der Moment
Vielleicht ist jetzt der Moment, wo du erkennst: Ich brauche jemanden, der mich co-reguliert. Jemanden, dessen Ruhe meine Ruhe auslöst. Jemanden, der einfach da ist.
Simon sucht eine Frau. Eine Frau, die bereit ist, diese Wahrheit anzunehmen: Ich brauche ein Gegenüber. Ich kann das nicht alleine.
Vielleicht bist du das. Vielleicht fühlst du beim Lesen dieser Zeilen schon eine Erleichterung. Ein leises “Endlich versteht es jemand”.
Das ist der Anfang. Das ist der erste Schritt raus aus dem Alleinsein.
Weiterlesen:
- Was Berührung mit deinem Nervensystem macht
- Warum Entspannung alleine unmöglich ist
- Der Vagusnerv: Dein vergessener Verbündeter gegen Milchstau
- Co-Regulation: Warum dein Nervensystem ein Gegenüber braucht (allgemeiner Artikel)
- Zurück zur Übersicht: Stress & Nervensystem bei Milchstau
Wissenschaftliche Grundlagen: Alle 16 Studien zu Co-Regulation und Nervensystem →