Du darfst bedürftig sein – Eine Erlaubnis

· 1182 Wörter Bedürftigkeit , Scham , Erlaubnis , Selbstliebe , Verletzlichkeit

Du hast es so oft gehört. Von Dating-Coaches. Von Zeitschriften. Von wohlmeinenden Freundinnen.

“Sei nicht so bedürftig.” “Männer riechen Verzweiflung.” “Du musst die coole, unabhängige Frau sein.” “Erst wenn du niemanden brauchst, bist du bereit für eine Beziehung.”

Und du hast versucht, dich daran zu halten. Du hast deine Nachrichten zehnmal umgeschrieben, damit sie “locker” klingen. Du hast so getan, als hättest du keine Zeit, obwohl du nur auf sein Zeichen gewartet hast. Du hast deine Tränen runtergeschluckt, deine Sehnsucht weggesperrt und die Maske der “Powerfrau” aufgesetzt.

Aber innerlich? Innerlich schreit alles in dir: “Ich brauche aber jemanden! Ich will gehalten werden! Ich kann nicht mehr stark sein!”

Und dann schämst du dich für diesen Schrei. Du denkst, du bist schwach. Du denkst, du bist “zu viel”. Du denkst, du bist kaputt, weil du diese verdammte Unabhängigkeit einfach nicht fühlst.

Ich bin heute hier, um dir die wichtigste Erlaubnis deines Lebens zu geben. Lies diesen Satz laut:

Du darfst bedürftig sein.

Nicht nur “ein bisschen”. Nicht nur “an schlechten Tagen”. Sondern ganz. Tief. Grundsätzlich.

Die Lüge von der “unattraktiven Bedürftigkeit”

Warum haben wir solche Angst vor diesem Wort? “Bedürftig.” Es klingt klebrig. Es klingt nach einem fusseligen Pullover, den man nicht loswird.

Uns wurde beigebracht: Bedürftigkeit stösst Männer ab. Unabhängigkeit zieht Männer an.

Das ist – mit Verlaub – Bullshit.

Unabhängigkeit zieht Männer an, die keine Verantwortung übernehmen wollen. Unabhängigkeit zieht Männer an, die eine “unkomplizierte” Affäre suchen. Unabhängigkeit zieht Männer an, die Angst vor echter Nähe haben.

Aber ein Mann, der eine echte, tiefe Partnerschaft sucht? Ein Mann, der beschützen, halten und sorgen will? Für den ist deine Unabhängigkeit keine Einladung. Sie ist eine Mauer.

Wenn du signalisierst: “Ich brauche nichts”, hört er: “Es gibt hier keinen Platz für dich.”

Das Szenario auf dem Badezimmerboden

Lass uns ehrlich sein. Wir kennen alle diesen Moment. Du bist stark. Den ganzen Tag. Du managst den Job. Die Kinder. Die Finanzen.

Aber dann kommt der Abend. Und irgendetwas Kleines passiert. Ein Glas fällt runter. Eine Rechnung ist höher als gedacht. Das Kind sagt: “Ich hasse dich.”

Und plötzlich bricht alles zusammen. Du sitzt auf den Fliesen im Badezimmer. Die Tür ist abgeschlossen. Und du weinst.

Du weinst nicht wegen dem Glas. Du weinst, weil du so unendlich müde bist, stark zu sein. Du weinst, weil du dir wünschst, dass die Tür aufgeht und jemand reinkommt. Jemand, der sich zu dir auf den Boden setzt. Jemand, der dich nicht fragt “Was ist los?”, sondern der dich einfach in den Arm nimmt und hält, bis das Zittern aufhört.

In diesem Moment bist du bedürftig. Bist du deshalb unattraktiv? Bist du deshalb wertlos?

Nein. In diesem Moment bist du echt. In diesem Moment bist du ein Mensch, der an seine Grenzen gestossen ist.

Und genau diesen Moment darfst du teilen. Nicht verstecken.

Bedürfnisse sind keine Fehler

Wir behandeln emotionale Bedürfnisse oft wie Softwarefehler. “Oh, da ist ein Bug, ich fühle mich einsam. Muss ich fixen.”

Aber Bedürfnisse sind keine Fehler. Sie sind Features. Bedürfnisse sind die Art und Weise, wie dein System dir sagt, was es zum Überleben braucht.

  • Hunger sagt dir: Du brauchst Kalorien.
  • Schmerz sagt dir: Du brauchst Heilung.
  • Einsamkeit sagt dir: Du brauchst Verbindung.

Dich dafür zu verurteilen, dass du bedürftig sein musst, ist so, als würdest du dich dafür verurteilen, dass du atmen musst.

“Es tut mir leid, dass ich so viel Luft brauche.” – Würdest du das sagen? Warum sagst du dann: “Es tut mir leid, dass ich so viel Nähe brauche”?

Bedürftigkeit als Filter

Hier ist ein radikaler Gedanke: Nutze deine Bedürftigkeit als Filter.

Statt sie zu verstecken, zeig sie früh. Sag einem Mann: “Ich bin keine Frau für lockere Sachen. Ich brauche viel Nähe. Ich brauche Sicherheit. Ich brauche jemanden, auf den ich mich 100% verlassen kann.”

Was wird passieren? Die “Falschen” werden rennen. Die Männer, die nur spielen wollen, die Bindungsangst haben, die emotional nicht verfügbar sind – sie werden die Flucht ergreifen. Gut! Lass sie rennen! Sie haben dir gerade Wochen deiner Zeit gespart.

Aber der “Richtige”? Der Mann, der bereit ist? Der Mann, der geben will? Er wird nicht wegrennen. Er wird vielleicht einen Schritt näher kommen und sagen: “Endlich. Endlich jemand, der weiss, was er will. Endlich jemand, dem ich etwas geben kann.”

Deine Bedürftigkeit ist kein Makel. Sie ist dein Kompass, der dich zu den Menschen führt, die fähig sind, sie zu stillen.

Ich will, dass du mich brauchst

Ich schreibe das hier als Mann. Und ich sage dir: Nichts ist frustrierender als eine Frau, die mir ständig beweist, dass sie mich nicht braucht.

Ich will nicht “nice to have” sein. Ich will nicht das Sahnehäubchen auf deinem Lebenskuchen sein. Ich will verdammt nochmal der Boden sein.

Ich will, dass du mich brauchst. Ich will, dass du mich anrufst, wenn du Angst hast. Ich will, dass ich der Erste bin, dem du von deinem Badezimmer-Moment erzählst.

Wenn du mich brauchst, gibst du mir eine Aufgabe. Du gibst mir Bedeutung. Du sagst mir: “Du bist wichtig.”

Gibt es ein schöneres Geschenk, das du einem Partner machen kannst?

Erlaubnis erteilt

Also, hier ist sie. Deine offizielle Erlaubnis. Du darfst aufhören, die coole Unabhängige zu spielen. Du darfst aufhören, deine Nachrichten “strategisch” zu schreiben.

Du darfst schreiben: “Ich fühle mich heute einsam. Ich würde dich gerne sehen.” Du darfst schreiben: “Ich habe Angst, dass du mich nicht magst.” Du darfst schreiben: “Ich brauche gerade eine Umarmung.”

Das ist bedürftig sein dürfen. Und es ist der mutigste Akt der Selbstliebe, den es gibt.

Sei bedürftig. Sei “zu viel”. Sei echt. Denn nur das Echte kann geliebt werden.


Der Elefant im Raum: Ja, ich suche eine Frau. Und ja, ich suche eine, die mich braucht. Nicht, um ihr Leben für sie zu leben (das musst du selbst machen). Sondern um den Weg gemeinsam zu gehen. Wenn du dich traust, deine Rüstung abzulegen – meine Tür ist offen.

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Häufige Ängste

Aber wirkt das nicht abschreckend?
Nur auf Männer, die keine Verantwortung wollen. Auf einen Mann, der "versorgen" und "beschützen" will (die gute, alte männliche Energie), wirkt es wie ein Magnet. Es gibt ihm ein Ziel.
Ich habe Angst, mich abhängig zu machen.
Abhängigkeit ist nur gefährlich, wenn du an die falsche Person gerätst. Bei der richtigen Person ist es keine Abhängigkeit, sondern Interdependenz (gegenseitige Stütze). Wir prüfen, ob ich der Richtige bin. Aber du kannst es nur prüfen, wenn du dich traust.
Muss ich erst weinen, bevor ich schreiben darf?
Nein :) Du darfst auch schreiben, wenn es dir gut geht. Aber du *musst* nicht warten, bis es dir gut geht. Du bist willkommen mit deinem ganzen Spektrum. Mit Lachen und mit Weinen.
Was, wenn ich schreibe und du mich "zu viel" findest?
Ich habe viel erlebt. Ich habe Kinder grossgezogen. Ich habe Krisen überstanden. Es braucht viel, um für mich "zu viel" zu sein. Probier es aus. Du wirst überrascht sein, wie viel Raum ich halten kann.

Über den Autor

Simon H. ist kein Therapeut und kein Experte – er ist ein Mann, der eine ehrliche Verbindung sucht. Seine Überzeugung: Die Lösung für viele körperliche Blockaden liegt nicht in Symptombehandlung, sondern in menschlicher Nähe und echtem Vertrauen.

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